Tag & Nacht

Rathäuser und Bürgermeister waren in den letzten Tagen bevorzugte Ziele der Randalierer in Frankreich. Alles andere als ein Zufall?

„150 Rathäuser oder kommunale Gebäude sind seit Dienstag angegriffen worden, ein Novum in der Geschichte des Landes.“ Der Präsident der Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs (AMF) David Lisnard schlägt vor dem Hintergrund eines nationalen Flächenbrandes nach dem Tod des jungen Nahel am Dienstag, dem 27. Juni, Alarm.

Da in den letzten Tagen eine deutliche Zunahme der Angriffe auf Bürgermeister und politische Vertreter zu verzeichnen war, rief David Lisnard Bürgermeister und Bürger dazu auf, sich am Montag um 12 Uhr vor den Rathäusern im ganzen Land zu versammeln.

Seit dem Rücktritt des Bürgermeisters von Saint-Brévin (Loire-Atlantique) Yannick Morez Anfang Mai, auf dessen Haus ein Brandanschlag verübt worden war, herrscht in der politischen Klasse Frankreichs das Gefühl vor, dass eine Grenze überschritten wurde.

„Die Bürgermeister stehen an vorderster Front, wie immer, aber das darf nicht auf Kosten ihres Lebens gehen“, sagte der zentristische Senator Hervé Marseille am Sonntag im Radiosender Radio J.

„Ein bisschen wie die Gelbwestenkrise: An einem bestimmten Punkt scheint das, was die Krise motiviert hat, in etwas Größeres und Beunruhigenderes überzuschwappen, das die Funktionsweise der Demokratie, das Verhältnis zu den Institutionen, zur Staatsbürgerschaft und zur öffentlichen Ordnung betrifft“, analysiert der Politologe Bruno Cautrès die derzeitige Situation in Frankreich.

Die Ziele der Unruhen sind nicht zufällig ausgewählt, es gibt für die meist jugendlichen Randalierer eine Überrepräsentation institutioneller Einrichtungen, deren Zerstörung von der politischen Dimension dieser „Revolte“ zeugen soll.

Laut Soziologen können solche Taten als eine eine Politisierung des Ungerechtigkeitsempfindens angesehen werden. Die Bewohner der Arbeiterviertel machen  für die Schwierigkeiten ihres Alltags, ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und sozialer Marginalisierung, die Institutionen des Staates und seine Vertreter verantwortlich.


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