Nach Jahren wachsender Spannungen haben sich die Präsidenten der Vereinigten Staaten und Chinas, Donald Trump und Xi Jinping, erstmals seit 2019 wieder persönlich getroffen. Der symbolträchtige Ort: Busan, Südkorea. Die Begegnung fand am Rande des APEC-Gipfels statt und dauerte rund 100 Minuten. Was vordergründig als bilaterale Geste der Annäherung inszeniert wurde, entfaltete inhaltlich eine Mischung aus geopolitischer Pragmatik, wirtschaftlichem Kalkül und strategischem Deeskalationswillen.
Ein politisches Signal – und eine Botschaft nach innen
Das Treffen selbst war bereits ein Statement. Seit der Eskalation des Handelskonflikts unter Trumps erster Amtszeit, der Pandemie und dem wachsenden strategischen Misstrauen gegenüber China waren persönliche Kontakte auf höchster Ebene eingefroren. Die nun erfolgte Begegnung ist mehr als ein diplomatischer Fototermin: Sie markiert den Versuch beider Seiten, zumindest auf Teilgebieten wieder zu kooperieren, ohne dabei fundamentale Gegensätze zu leugnen.
Donald Trump sprach nach dem Gespräch von einem „großen Erfolg“ und bezeichnete Xi Jinping als „herausragenden Führer eines sehr mächtigen Landes“. Die Wortwahl mag bewusst versöhnlich gewählt sein. Für Xi bedeutet die internationale Bühne in Südkorea die Gelegenheit, nach innen Stärke und außenpolitische Dialogfähigkeit zu demonstrieren, ohne inhaltliche Zugeständnisse offen einzugestehen.
Handelsfragen: Vom Zollabbau bis zur Agraroffensive
Ein zentrales Ergebnis des Treffens betrifft die Handelsbeziehungen. Trump kündigte an, die Sonderzölle auf chinesische Importe im Zusammenhang mit der Fentanyl-Krise von 20 auf 10 Prozent zu senken. Damit verknüpft er ein innenpolitisch brisantes Thema – den Kampf gegen synthetische Drogen – mit einer Geste ökonomischer Entspannung. China steht im Verdacht, Ausgangsstoffe für Fentanyl in großem Stil zu exportieren. Die Reduktion der Zölle kann somit als Signal gewertet werden: Kooperationsbereitschaft gegen Verantwortung.
Ebenfalls bedeutsam: die Vereinbarung über den erneuten Import großer Mengen US-amerikanischer Agrarprodukte durch China, insbesondere Soja. Dies dürfte vor allem für Trumps politische Basis im Mittleren Westen der USA ein wichtiges Signal sein – viele Landwirte dort hatten unter dem Einbruch chinesischer Nachfrage im Zuge des Handelsstreits gelitten.
Seltene Erden: Ein strategischer Hebel bleibt (vorerst) in Bewegung
Noch weitreichender ist die angekündigte Einigung auf eine einjährige, jährlich verlängerbare Vereinbarung zum Zugang der USA zu Seltenen Erden aus China. Diese Materialien sind für moderne Technologien wie Halbleiter, Elektrofahrzeuge oder Rüstungsgüter unverzichtbar – und China kontrolliert einen Großteil der globalen Förderung.
Die Vereinbarung ist in ihrer Laufzeit bewusst kurz gehalten, was sowohl strategische Flexibilität ermöglicht als auch politischen Druck aufrechterhält. Für die USA ist dies ein kurzfristiger Erfolg, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Langfristig jedoch bleibt das strukturelle Abhängigkeitsverhältnis bestehen – auch als geopolitischer Risikofaktor.
Ukrainekrieg: Annäherung ohne Substanz?
Überraschend deutlich äußerte sich Trump nach dem Treffen zur Ukraine: Beide Seiten hätten „lange und intensiv“ darüber gesprochen und wollten „gemeinsam versuchen, etwas zu erreichen“. Die Formulierung bleibt vage, was angesichts der unterschiedlichen Grundhaltungen der USA und Chinas zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kaum verwundert. Während Washington Kiew militärisch unterstützt, vermeidet Peking eine klare Positionierung – mit leichtem Übergewicht zugunsten Moskaus.
Dass dieses Thema überhaupt ausführlich diskutiert wurde, könnte ein diplomatischer Achtungserfolg sein. Substanzielle Fortschritte oder gemeinsame Initiativen sind daraus allerdings nicht abzuleiten – zumindest bislang nicht. Vielmehr handelt es sich um ein Zeichen, dass der Konflikt auch in der sino-amerikanischen Agenda nicht länger ignoriert werden kann.
Das Schweigen zu Taiwan – Kalkül oder Knackpunkt?
Bemerkenswert ist, welches Thema nicht zur Sprache kam: Taiwan. Trump erklärte explizit, die Frage der taiwanesischen Souveränität sei nicht Teil des Gesprächs gewesen. Diese Leerstelle spricht Bände. Entweder wurde das Thema bewusst ausgeklammert, um andere Verhandlungsfelder nicht zu belasten – oder aber es handelt sich um eine diplomatische Schutzbehauptung, um eine Eskalation in der Öffentlichkeit zu vermeiden.
In jedem Fall zeigt das Schweigen zu Taiwan, wie brisant die Frage inzwischen ist. Jeder direkte Austausch dazu birgt die Gefahr der Eskalation, nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden militärischen Spannungen in der Taiwanstraße und der wachsenden US-Unterstützung für Taipeh.
Ein stillschweigender Konsens über das Ausklammern heikler Punkte mag taktisch sinnvoll erscheinen – auf lange Sicht löst er jedoch keinen der zugrunde liegenden Konflikte.
Am Ende bleibt dieses Treffen ein Schritt in Richtung Gesprächsbereitschaft – aber keiner in Richtung umfassender strategischer Annäherung. Die geopolitische Rivalität zwischen China und den USA bleibt intakt. Doch sie gibt – zumindest punktuell – wieder einen Dialog. Und allein das ist in einer zunehmend fragmentierten Weltordnung bereits ein bemerkenswerter Vorgang.
Autor: Andreas M. Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!






