Tag & Nacht




Donald Trump absolviert am 17. und 18. September 2025 seine zweite Staatsvisite im Vereinigten Königreich. König Charles III. empfing den US-Präsidenten mit allen Ehren, begleitet von Queen Camilla, dem Thronfolger Prinz William und der Princess of Wales. Ein Staatsbankett in Windsor Castle, militärisches Zeremoniell und Verhandlungen über strategische Partnerschaften verleihen der Reise Gewicht. Doch während sich die politischen Eliten um transatlantische Signale bemühten, dominiert außerhalb der Palastmauern der Protest.

Alte Skandale, neue Angriffsflächen

Die Proteste richteten sich gegen verschiedene Aspekte der Trump-Präsidentschaft – und nicht zuletzt gegen die Person selbst. Aktivisten erinnerten mit Bild-Projektionen an die Verbindungen des US-Präsidenten zum verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Auf den Mauern von Windsor Castle erschienen Bilder, die diese Freundschaft thematisierten. Für viele Demonstranten stand weniger das politische Tagesgeschäft im Vordergrund, sondern die Frage nach moralischer Verantwortung und symbolischer Integrität.

Doch auch Trumps Politik wirkte als Katalysator für die Mobilisierung. Seine restriktiven Einwanderungsmaßnahmen, die Aufkündigung internationaler Klimaabkommen, eine konfrontative Außenpolitik gegenüber Iran oder China und die Polarisierung der amerikanischen Innenpolitik wurden in Sprechchören und Bannern angeklagt. Parolen wie „No to racism, no to Trump“ verdeutlichten die moralische Dimension der Kritik.

Die britische Regierung unter Druck

Premierminister Keir Starmer entschied sich bewusst, Trump den vollen protokollarischen Status einzuräumen – eine Entscheidung, die nicht nur auf Zustimmung stieß. Kritiker aus der Labour-Partei wie auch von den Liberaldemokraten bemängelten, dass die Einladung ein politisches Signal sei, das Wertefragen zugunsten wirtschaftlicher Interessen hintanstelle.

Starmer versucht, diesen Vorwurf durch konkrete Ergebnisse abzufedern. Während der Gespräche wurden Investitionen in Höhe von rund 150 Milliarden Pfund angekündigt, unter anderem in britische Infrastruktur und Zukunftstechnologien. Damit will die Regierung den Eindruck vermeiden, Großbritannien gebe sich nur dem Protokoll hin, ohne materiellen Nutzen zu erzielen. Gleichwohl bleibt der Vorwurf bestehen, die Regierung nehme symbolische Kosten in Kauf: die Politisierung der Monarchie und den Verlust moralischer Glaubwürdigkeit.

https://twitter.com/UKStopTrump/status/1968364142785712134

Straßenprotest und Zivilgesellschaft

Die Organisation der Proteste lag vor allem bei der Koalition „Stop Trump“, die bereits 2018 beim ersten Staatsbesuch mobilisiert hatte. Breite Teile der Zivilgesellschaft schlossen sich an: Umweltgruppen, Menschenrechtsorganisationen, feministische Initiativen und pro-palästinensische Aktivisten. Zu den Protestformen zählen klassische Protzestmärsche durch London und Windsor ebenso wie satirische Elemente – der „Baby-Trump“-Ballon war erneut im Einsatz.

Die Polizei musste mehrfach eingreifen, unter anderem wegen unerlaubter Drohnenflüge im Luftraum rund um Windsor Castle. Zahlreiche Festnahmen unterstreichen die Brisanz der Lage. Laut Umfragen wünschte sich fast die Hälfte der britischen Bevölkerung, die Visite wäre abgesagt worden.

Zwischen Realpolitik und Wertepolitik

Das Spannungsfeld zwischen ökonomischem Kalkül und moralischem Anspruch trat während dieser Tage deutlich zutage. Einerseits gilt das transatlantische Verhältnis nach wie vor als unverzichtbare strategische Achse. Kooperationen im Energiesektor, bei der Nukleartechnologie oder in der digitalen Wirtschaft sind für das Vereinigte Königreich von hoher Bedeutung – zumal nach dem Brexit.

Andererseits wächst der Druck aus der Gesellschaft, Außenpolitik nicht ausschließlich nach Interessen, sondern auch nach Prinzipien zu gestalten. Die Proteste machten sichtbar, dass Werte wie Menschenrechte und Gleichstellung zunehmend als Maßstab an internationale Beziehungen angelegt werden.

Starmer versucht, diese Spannungen durch eine Doppelstrategie zu entschärfen: ökonomische Resultate präsentieren und zugleich die Proteste nicht übermäßig kriminalisieren. Dennoch bleibt der Eindruck, dass die britische Regierung in eine Zwickmühle geraten ist: Sie will sich als verlässlicher Partner der USA behaupten, ohne das Bild einer politischen Unterordnung zu erzeugen.

Am Ende dürfte die Episode weniger wegen der erzielten Abkommen in Erinnerung bleiben, sondern wegen der Symbolik: Ein König, der einen umstrittenen US-Präsidenten mit höfischem Glanz empfängt, während draußen Zehntausende gegen dessen Politik und Vergangenheit protestieren. Diese Gleichzeitigkeit von Pomp und Protest zeigt die Bruchlinien einer Gesellschaft, die zwischen internationaler Realpolitik und moralischer Selbstvergewisserung ringt.

Autor: Andreas M. Brucker

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