Tag & Nacht




Zwölf Jahre. Skandale, Korruption, Naturkatastrophen und unzählige Verzögerungen.

Jetzt rollt der Verkehr endlich wieder durch den Tunnel de Tende, der die französische Roya-Region mit dem Piemont in Italien verbindet. Ein Nadelöhr, das seit 1882 existiert – und nie wirklich komfortabel war.

Am Samstag, dem 28. Juni 2025, wurde das Bauwerk nach einer endlosen Odyssee teilweise wieder für Autos freigegeben. Endlich.

Doch der Reihe nach.

Der Plan war einst simpel: Der Tunnel sollte verdoppelt und modernisiert werden, um den Grenzverkehr zwischen Frankreich und Italien zu entlasten. 2007 beschlossen, 2014 gestartet – und ab da begann eine Kette von Pannen, die selbst den geduldigsten Roya-Bewohnern den letzten Nerv raubte.

2017 platzte der erste Traum, als die italienische Baufirma Fincosit wegen Korruption aufflog. Alles stand still. Drei Jahre später schlug die Natur zu: Sturm Alex riss Brücken, Straßen und Tunnelzugänge auf der französischen Seite fort. Die Gemeinde Tende, ohnehin klein, verlor durch Isolation und wirtschaftliche Verödung fast zehn Prozent ihrer Einwohner. Ein Exodus mit bitterem Beigeschmack.

Der neue Tunnel ist jetzt endlich fertig – aber nur halb geöffnet. Seit Samstag gilt ein strenges Zeitregime: Am Wochenende rollt der Verkehr von 6 bis 21 Uhr, unter der Woche gibt es wechselnde Zeitfenster, damit Sicherheitstests und letzte Arbeiten weiterlaufen können. Frühestens Mitte Juli könnte sich das ändern. Bis dahin gilt für Pendler, Anwohner und Touristen weiterhin: Uhrzeiten auswendig lernen oder warten.

Am Freitag, dem 27. Juni, weihten Frankreichs Verkehrsminister Philippe Tabarot und Italiens Minister Matteo Salvini das Bauwerk offiziell ein. Ein symbolischer Akt, aber auch ein politisches Zeichen für den Neuanfang nach Jahren der Blockade.

Der finanzielle Preis? Rund 255 Millionen Euro – deutlich mehr als geplant. Italien zahlte 58 Prozent, Frankreich 42 Prozent. Doch egal wie groß die Summe auf dem Papier wirkt, für die Menschen im Roya-Tal hatte der Tunnel-Ausfall weit schwerere Kosten: Isolation, stockender Tourismus, wirtschaftlicher Niedergang und tiefe Frustration über die Langsamkeit in Paris und Rom.

Bleibt die Frage: Wie geht es weiter?

Denn was viele nicht wissen: Die vollständige Eröffnung hängt davon ab, ob auch der alte Tunnel endlich saniert wird. Nur so könnte es eine zweispurige Verkehrsführung geben. Italien hat dafür bereits 70 Millionen Euro eingeplant. Einen Baubeginn? Gibt es noch nicht. Typisch Tende, könnte man sagen.

Und so bleibt das Bauwerk ein Symbol – für Fortschritt und Stillstand zugleich. Für europäische Verbindungen und nationale Bürokratie. Für jahrzehntelanges Warten – und die ungebrochene Resilienz einer Region, die sich nie hat unterkriegen lassen.

Vielleicht liegt genau hier die wahre Bedeutung des Tunnels von Tende: Er zeigt, wie brüchig Straßen sein können – und wie stark Gemeinschaften bleiben, wenn sie alles verlieren außer ihrer Hoffnung.

Autor: Andreas M. Brucker

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