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Die französische Freude über die Olympischen Winterspiele 2030 in den Alpen droht zur finanziellen Bürde zu werden. Was als Prestigeprojekt begann, entwickelt sich zu einem Konflikt zwischen Staat, Regionen und internationalen Organen. Denn die massiven Kosten für das Event sorgen nicht nur für Streit im politischen Paris, sondern werfen angesichts des hohen Defizits auch grundsätzliche Fragen zur Machbarkeit auf.

Ein großer Sieg – mit schwerwiegenden Bedingungen

Am 24. Juli 2024, im Glanz der erfolgreichen Olympischen Sommerspiele in Paris, verkündet Präsident Emmanuel Macron die nächste Errungenschaft: Die französischen Alpen haben die Winterspiele 2030 an Land gezogen. Doch die Euphorie wird schnell gedämpft. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) macht unmissverständlich klar: Es gibt nur dann Spiele, wenn die französische Regierung bereit ist, mögliche Defizite abzusichern.

„Ich werde den künftigen Premierminister bitten, nicht nur diese Garantie einzubeziehen, sondern auch ein Olympiagesetz durch das neue Parlament zu bringen“, betont Macron. Ein ambitioniertes Versprechen, das in der Realität jedoch auf große Hürden stößt.

Warum die Winterspiele so teuer werden

David Lappartient, Präsident des französischen Olympischen Komitees (CNOSF), bringt es auf den Punkt: Die Winterspiele sind finanziell riskanter als die Sommerspiele. „Bei den Spielen in Paris rechnen wir mit 1,3 Milliarden Euro aus Ticketverkäufen. Bei den Winterspielen werden es maximal 230 Millionen“, erklärt er. Ein vollbesetztes Stadion bei Basketball- oder Volleyballspielen im Stade de France ist eben etwas anderes als eine Skipiste in den Alpen.

Zwei vertrauliche Berichte der Inspection Générale des Finances (IGF), die im Frühjahr 2024 erstellt wurden, zeichnen ein noch düsteres Bild. Die Einschätzung: Das Budget des Organisationskomitees für die Winterspiele (COJOP Alpes 2030) wird deutlich im Minus sein. Von „850 bis 900 Millionen Euro Defizit“ ist die Rede – Geld, das letztlich die öffentliche Hand tragen müsste.

Widerstand aus der Politik

Premierminister Gabriel Attal, der damals für die staatliche Garantie zuständig war, zögerte – trotz Druck aus dem Élysée. „In einem Umfeld, in dem das öffentliche Defizit völlig aus dem Ruder läuft, gab es zu viele Unsicherheiten“, erklärt sein Umfeld rückblickend. Seine Zurückhaltung sorgt jedoch für Frust bei regionalen Unterstützern der Spiele wie Renaud Muselier, Präsident der Region PACA.

„Wir präsentieren die günstigsten Winterspiele aller Zeiten. Und jetzt sagt man uns, Frankreich könne sich das nicht leisten? Eine Summe von unter zwei Milliarden Euro, die auf fünf Jahre verteilt wird, ist doch kein Problem!“, ärgert sich Muselier.

Doch Attals Nachfolger, Michel Barnier, bleibt ebenfalls vorsichtig. Als erfahrener Co-Organisator der Winterspiele 1992 in Albertville kennt er die Risiken. Erst am 2. Oktober – nach Ablauf der IOC-Deadline – schickt er die staatliche Garantie ans Olympische Komitee. Ein Befreiungsschlag, der jedoch nur von kurzer Dauer ist.

Politische Instabilität bringt alles ins Wanken

Die finanzielle Absicherung der Winterspiele sollte ursprünglich Teil des Haushaltsplans für 2025 sein. Doch nach dem Sturz der Regierung Barnier wird das Gesetz nicht verabschiedet. Die politische Unsicherheit blockiert alle weiteren Schritte – sehr zum Missfallen des IOC, das auf konkrete Garantien wartet.

Ein neuer Bericht der französischen Budgetdirektion gießt weiteres Öl ins Feuer: Die Organisatoren und die beteiligten Regionen Auvergne-Rhône-Alpes sowie Süd-PACA würden „die finanzielle Kontrolle nicht ausreichend priorisieren“.

Am 4. Dezember, einen Tag vor seiner Rücktrittserklärung, erteilt Michel Barnier der Finanzinspektion den Auftrag, die Kosten der Spiele unter die Zwei-Milliarden-Marke zu drücken. Ironischerweise könnte Barnier selbst bald für das Chaos verantwortlich sein – ihm wurde angeboten, den Vorsitz des Organisationskomitees zu übernehmen.

Ein kostspieliger Traum – lohnt sich das Risiko?

Die Olympischen Winterspiele 2030 drohen zu einem finanziellen Drahtseilakt zu werden. Frankreichs ohnehin angeschlagene Staatsfinanzen lassen kaum Spielraum für kostspielige Prestigeprojekte. Das Defizit des COJOP, die geringen Einnahmeerwartungen und die schwache Haushaltslage werfen die Frage auf: Kann es sich das Land überhaupt leisten, Gastgeber zu sein?

Gleichzeitig stehen die Spiele für internationale Strahlkraft, wirtschaftliche Impulse in den Alpenregionen und nationale Einheit. „Es geht um mehr als nur Zahlen“, sagen die Befürworter. Doch in Zeiten von Sparzwängen und Schuldenrekorden wird jeder Euro hinterfragt.

Zwischen Prestige und Realität

Die Winterspiele in den französischen Alpen könnten für Frankreich ein großes sportliches Highlight werden – oder ein finanzielles Debakel. Es bleibt ein Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Stolz und Schulden. Am Ende muss die Politik eine Antwort liefern: Ist der Traum von Olympia das finanzielle Risiko wert?

Eins ist sicher: Der Showdown zwischen Befürwortern und Skeptikern hat gerade erst begonnen.


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