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Die Spannungen zwischen Paris und Moskau nach der Invasion in der Ukraine schlagen sich auch im Handel nieder. Es droht ein Importstopp u. a. für Industriemetalle, Brennstoffe und chemische Erzeugnisse.

Die Nabelschnur zu Russland zu kappen, würde nicht ohne Folgen für die französische Wirtschaft bleiben. Wie bei Öl und Gas verlässt sich Frankreich seit Jahrzehnten darauf, dass das größte Land der Welt bestimmte Rohstoffe liefert, die für zahlreiche Industriezweige, allen voran die Luftfahrt, von entscheidender Bedeutung sind. Diese Handelsbeziehungen könnten jedoch durch den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine gefährdet werden.

Während die Armee von Wladimir Putin ihre Offensive fortsetzt, hagelt es in der Tat Sanktionen der internationalen Gemeinschaft gegen das Regime in Moskau. Auf französischer Seite könnte der von Wirtschaftsminister Bruno Lemaire erklärte (und später relativierte) „Wirtschaftskrieg“ die Versorgung mit bestimmten Produkten aus dem Riesenland im Osten gefährden. Um hier Klarheit zu schaffen, listet Franceinfo die kritischen Importe, ihre Bedeutung für die französische Wirtschaft und die von der Industrie in Betracht gezogenen Alternativen auf.

Gas und Öl
Während etwa 46% des von den EU-Staaten importierten Gases aus Russland stammt, ist der Verbrauch von russischem Gas in Frankreich wesentlich geringer – und seit mehreren Jahren rückläufig. Er lag 2007 laut einem damaligen Informationsbericht des Senats bei rund 25% und beträgt heute etwa 17%. Im Falle einer vollständigen Unterbrechung der drei russischen Gaspipelines nach Europa hat Frankreich andere Partner, auf die es zurückgreifen kann, wie Norwegen oder Algerien, die jedoch nicht über die Produktionskapazitäten Russlands verfügen.

Beim Öl sind es laut den Zahlen des Statistikinstituts Insee vor allem Saudi-Arabien und Kasachstan, die Frankreich mit dem schwarzen Gold versorgen. Russisches Öl macht knapp 13% des nach Frankreich importierten Öls aus.

„Es ist vor allem eine Abhängigkeit von raffinierten Produkten, insbesondere von Diesel“, erklärte Nicolas Mazzucchi, Forscher bei der Stiftung für strategische Forschung (FRS), gegenüber France 2. Dies erklärt, warum russische Tanker, die mit Öl beladen waren, in den letzten Tagen noch in den Häfen Frankreichs anlegen durften.

Die Kohle
Auch wenn Frankreich seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert hat, ist das Land weiterhin auf russische Kohle angewiesen. Im Jahr 2020 stammten laut Zahlen des französischen Ministeriums für den ökologischen Übergang etwa 30% der importierten Kohle aus Russland. Der Rest kam vor allem aus Australien (ebenfalls rund 30%) und den USA (rund 10%).

Auf europäischer Ebene ist diese Situation noch ausgeprägter. Laut Eurostat lieferte Russland im Jahr 2021 immerhin 56,1 Millionen Tonnen feste Brennstoffe in die Europäische Union, was 46,7% der EU-Importe in diesem Bereich entspricht.

Industriemetalle (Aluminium, Titan, …)
In den letzten drei Jahren kamen aus Russland hauptsächlich Eisenerze und Nichteisenmetalle wie Aluminium nach Frankreich. Zu diesen Metallen gehören vor allem Palladium (das u. a. zur Herstellung von Autokatalysatoren verwendet wird), Titan (Luftfahrt), Nickel, Kobalt (Batterien, Windkraftanlagen), Wolfram (Elektronik), Platin oder auch Kupfer.

„Ohne diese Metalle könnten einige französische Industrien ihre Produktion einfach nicht mehr gewährleisten“, erklärt Sarah Guillou, Leiterin der Abteilung Innovation und Wettbewerb der französischen Beobachtungsstelle für wirtschaftliche Konjunktur (OFCE), gegenüber Franceinfo. Aber Vorsicht: Die französische Versorgung erfolgt bei weitem nicht ausschließlich über Russland. Für einige Sektoren, wie die Luftfahrt, ist die Situation bekannt: Das Titan, das für die französische Luftfahrt verwendet wird, ist zu 50% russisch, berichtete die Zeitung La Tribune . Für die französische Automobil- oder Elektronikindustrie ist die Lage etwas weniger eindeutig.

„Die Abhängigkeit von russischen Metallen ist schwer zu quantifizieren“, betont Sarah Guillou, „denn die Zollzahlen geben nicht unbedingt an, woher die Rohstoffe kommen. Offiziell importiert Frankreich 3% seiner Nichteisenmetalle aus Russland, aber diese Zahl ist sicherlich unterbewertet.“ Beispielsweise kann Palladium, das in den Niederlanden oder der Schweiz gekauft wurde, sehr wohl in Russland produziert worden sein und mehrfach den Besitzer gewechselt haben.

Bisher hat Frankreich restriktive Maßnahmen gegenüber Russland ergriffen, aber kein Embargo für Rohstoffimporte erklärt. Es ist jedoch festzustellen, dass immer mehr Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit Stellung beziehen oder auf politischen Druck reagieren und auf den Handel mit Russland verzichten. Hinzu kommt, dass die Flugverbindungen nach Russland eingestellt wurden, was die Einfuhr bestimmter Metalle wie Palladium deutlich einschränkt.

Im Jahr 2021 produzierte Russland 43% des weltweit hergestellten Palladiums. Der russische Konzern Rusal ist der zweitgrößte industrielle Aluminiumhersteller der Welt. Das Land ist drittgrößter Produzent von Nickelerz und zweitgrößter Produzent von raffiniertem Nickel.

Wenn Russland beschließt, seine Exporte einzuschränken, werden die Weltmarktpreise stark steigen. Preissteigerungen bei diesen Primärprodukten werden sich zwangsläufig auf die gesamte Produktionskette auswirken. Für die französische Industrie ist es höchste Zeit, Rohstoffvorräte anzulegen, eine Herausforderung, die für kleinere Unternehmen schwierig zu bewältigen sein könnte.

Eine grosse Herausforderung für die Wirtschaft ist die große Ungewissheit hinsichtlich der Dauer des Konflikts in der Ukraine.


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