Ein Landstrich, eigentlich bekannt für graue Wolken, nasse Küsten und sattgrüne Weiden – und jetzt das: Dürre. Die Bretagne, jahrzehntelang Sinnbild für ein feuchtgemäßigtes Klima, wird im Sommer 2025 von einer Trockenheit heimgesucht, wie sie die Region kaum je erlebt hat.
Und das, obwohl das Vorjahr noch Hoffnung machte: 2024 hatte der Regen im Finistère sogar um 34 % über dem langjährigen Schnitt gelegen. Doch was nach einer vollen Wasserbilanz aussah, war im Frühjahr 2025 schon wieder Geschichte. Kaum war der März vorüber, verwandelten sich Böden in harte Krusten, Wiesen in staubige Flächen und Flüsse in schmale Rinnsale.
Die Bretagne – ausgetrocknet.
Heiß, heißer, Bretagne
Die Temperaturen schossen in diesem Frühjahr ebenfalls in die Höhe. Mit Spitzenwerten, die selbst die Mittelmeerküste neidisch machen könnten, wurde die Bretagne zu einem der heißesten Flecken Frankreichs – und das will etwas heißen.
Der Regen blieb aus. Zwischen dem 30. Juni und dem 6. Juli fielen in weiten Teilen der Region nur wenige Millimeter Niederschlag. Das reicht nicht einmal, um die Oberflächenfeuchtigkeit zu halten. Die Folge: Der Boden trocknete aus – zuerst an der Oberfläche, dann in der Tiefe. Die ersten Alarmglocken schrillten.
Am 11. Juli war es dann offiziell: Das Département Ille-et-Vilaine rief den Alarmzustand „sécheresse“ (Trockenheit) aus.
Gras wächst nicht auf trockenem Boden
Wer in der Bretagne lebt, weiß, dass Weiden mehr als nur grüne Flächen sind – sie sind Lebensgrundlage. Die Milchwirtschaft, die Viehzucht, die gesamte Agrarstruktur hängt vom saftigen Gras ab, das hier eigentlich das ganze Jahr über sprießt. Doch dieses Jahr? Fehlanzeige.
Die Trockenheit trifft die Landwirtschaft ins Mark. Kühe finden kaum noch Futter auf den Feldern, Heuvorräte werden frühzeitig angetastet, manche Landwirte denken schon über Heu-Notkäufe nach – oder über die Reduzierung ihrer Vieh-Bestände. Eine Spirale, die wirtschaftlich und emotional belastet.
Ein Vorgeschmack auf 2100
Was heute wie eine Ausnahme wirkt, könnte bald die Regel sein. Laut aktuellen Klimaprojektionen steht der Bretagne ein Temperaturanstieg von bis zu 4 °C bis zum Jahr 2100 bevor. Das bedeutet nicht nur wärmere Sommer – sondern längere Dürreperioden, instabilere Wetterlagen und dauerhaft gestörte Wasserzyklen.
Ohne regelmäßige Niederschläge können sich Grundwasserreserven nicht mehr ausreichend auffüllen. Flüsse verlieren an Durchfluss, Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht, die Vegetation leidet – zuerst unmerklich, dann unübersehbar.
Und mittendrin: Der Mensch.
Was tun, wenn der Regen nicht mehr kommt?
Die Antwort ist unbequem, aber unausweichlich: Anpassung. Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt.
Das bedeutet: Umstellung der Landwirtschaft auf trockenresistentere Anbaumethoden. Investitionen in moderne Bewässerungssysteme. Speicherstrategien für Regenwasser. Flächenentsiegelung in Städten. Und nicht zuletzt: eine neue Sensibilität für den Umgang mit der Ressource Wasser.
Denn auch wenn es seltsam klingt – selbst in der Bretagne ist Wasser inzwischen ein kostbares Gut.
Ein neues Normal
Die Dürre von 2025 markiert mehr als nur einen klimatischen Ausreißer. Sie ist das sichtbare Zeichen dafür, dass sich das Klima verändert – auch dort, wo man es am wenigsten erwartet. Der Regen, einst treuer Begleiter des bretonischen Alltags, lässt sich seltener blicken. Und das zwingt eine ganze Region, sich neu zu erfinden.
Wie lange kann die Bretagne noch auf ihre alte Wetter-Reputation bauen? Und was bleibt, wenn der Regen wirklich ausbleibt?
Die Antworten darauf schreibt – wie so oft – das Wetter selbst.
Autor: Andreas M. B.
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