Tag & Nacht




Es klingt fast banal: Wir können jeden Tag neu entscheiden, was wir essen wollen. Und doch ist diese scheinbare Selbstverständlichkeit ein stiller Triumph – über Mangel, Einfalt und Eintönigkeit. Am 31. Juli, dem Tag der Lebensmittelvielfalt, wird genau das gefeiert: das üppige Angebot in unseren Regalen, die Freiheit der Wahl auf dem Teller und die bunte Mischung, die unsere Ernährung zur kulturellen Erfahrung macht.

Rund 170.000 verschiedene Lebensmittelprodukte umfasst das Sortiment im französischen und deutschen Einzelhandel. Tendenz steigend. Jedes Jahr kommen zehntausende neue hinzu – manche kurzlebig, andere revolutionär. Was im Supermarktregal landet, ist längst nicht mehr bloß Mittel zum Zweck. Es ist Ausdruck individueller Lebensentwürfe, Überzeugungen, kulinarischer Sehnsüchte. Bio, vegan, laktosefrei, regional, funktional, nachhaltig oder einfach nur sündhaft lecker – alles ist da. Und das ist keine Selbstverständlichkeit.

Die stille Logistik hinter dem Luxus

Was wir als Auswahl wahrnehmen, ist das Ergebnis einer hochkomplexen Kette: Von der Züchtung über Anbau, Ernte, Verarbeitung, Transport, Lagerung, Verpackung, Qualitätskontrolle und Vermarktung bis hin zur Präsentation im Regal. Jeder Schritt erfordert Know-how, Technik, Disziplin – und einen Markt, der diese Vielfalt tragen kann.

Vielfalt beginnt nicht im Kühlschrank, sondern auf dem Feld. Die Landwirtschaft liefert das Fundament. Ohne sie wäre alles andere nur Fiktion. Die Industrie veredelt, der Handel bringt es in Reichweite. Und mittendrin: wir – die Konsumentinnen und Konsumenten, die täglich mit ihrem Einkaufswagen abstimmen. Was sich nicht verkauft, verschwindet. Was gewünscht wird, bleibt und wächst.

Geschmack ist demokratisch

Der Tag der Lebensmittelvielfalt ist auch ein Tag der Innovation. In diesem Jahr stand das Thema Food Pairing im Zentrum: kreative Kombinationen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen – und dann doch zu einem neuen Geschmackserlebnis verschmelzen. Banane mit Speck. Kabeljau mit Lavendel. Litschi mit Koriander. Warum nicht? Vielfalt lebt vom Mut zur Kombination, zur Überraschung, zum Experiment.

Und sie lebt von Austausch. In Kochshows, Podcasts, sozialen Medien, in der WG-Küche genauso wie in der gehobenen Gastronomie. Geschmack ist längst keine elitäre Domäne mehr. Geschmack ist demokratisch geworden – offen für jeden, der probieren will.

Was, wenn Vielfalt fehlt?

Eine wichtige Frage, die schmerzlich klar macht, was auf dem Spiel stünde. Ohne Vielfalt gäbe es keine Wahlfreiheit. Keine Alternativen für Allergiker, keine kulturelle Teilhabe für Migrant:innen, keine Flexibilität für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Der Verzicht auf Vielfalt wäre der Rückschritt in eine Zeit der Einschränkung, der Einförmigkeit.

Und er würde bedeuten: weniger Resilienz. Denn Vielfalt ist auch Sicherheit – in der Landwirtschaft, in der Versorgung, im Wettbewerb. Je mehr Alternativen bestehen, desto robuster sind die Systeme gegenüber Krisen. Ein vielfältiger Markt kann sich anpassen. Ein monokultureller bricht.

Vielfalt braucht Vertrauen

Eines aber darf bei aller Euphorie nicht vergessen werden: Vielfalt funktioniert nur mit Verantwortung. Die schönste Auswahl nützt nichts, wenn sie nicht sicher ist. Deshalb sind Qualitätskontrollen, Rückverfolgbarkeit, Transparenz und Hygiene die stillen Säulen hinter dieser Vielfalt. Vertrauen entsteht nicht durch Marketing, sondern durch Standards – konsequent umgesetzt.

Auch ethisch steht Vielfalt auf dem Prüfstand. Verbraucherinnen und Verbraucher fordern zunehmend nachhaltige Produktionsbedingungen, faire Lieferketten, Tierwohl und CO₂-Bilanzen. Vielfalt ist heute mehr als die Summe unterschiedlicher Produkte. Sie ist auch Haltung – gegenüber Mensch, Tier, Umwelt.

Vielfalt feiern – aber nicht blind

Der 31. Juli ist kein Werbetag für die Industrie. Er ist ein Denkanstoß. Dafür, was wir haben. Und dafür, was wir daraus machen. Vielfalt ist kein Konsumrausch, sondern ein Angebot zur bewussten Entscheidung. Sie ist ein Spiegel unserer Gesellschaft – offen, vielstimmig, manchmal widersprüchlich, aber immer voller Möglichkeiten.

Vielleicht ist genau das die eigentliche Botschaft dieses Tages: Vielfalt ist kein Selbstzweck. Sie ist eine Einladung. Zum Probieren. Zum Nachdenken. Zum Genießen.

Und zur Dankbarkeit.

Von C. Hatty

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