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Die französische Ministerin für den Energiewandel, Agnès Pannier-Runacher, versicherte, dass Frankreich im Vergleich zu Deutschland einen Vorsprung beim Verbrauch von erneuerbaren Energien hat. Sie sagte jedoch nicht, dass dieser französische Vorsprung nur extrem gering ist.

Agnès Pannier-Runacher begrüßte die Abstimmung über ein europäisches Abkommen zur Reform des Strommarktes am Mittwoch, dem 18. Oktober, auf dem Sender Franceinfo. Eine „gute Nachricht für die Stromrechnung der Franzosen“, wie sie sagte, aber vor allem für den Atomsektor, der trotz deutscher Vorbehalte in das Abkommen aufgenommen wurde.

Auf die Frage nach dem Risiko, dass die Investitionen in die Kernenergie auf Kosten der erneuerbaren Energien gehen könnten, legte die Ministerin für den Energiewandel Wert auf die Feststellung: „Frankreich hat heute mehr erneuerbare Energien in seinem Netz als die Deutschen.“ Wahr oder falsch?

Agnès Pannier-Runacher hat Recht, aber wirklich nur um Haaresbreite. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch ist in der Realität zwischen Frankreich und Deutschland fast gleich hoch.

Nach den vorläufigen Zahlen des französischen Ministeriums für den Energiewandel stammten 20,7 % der in Frankreich im Jahr 2022 verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen – insbesondere Wind- und Wasserkraft oder Recycling von Abfällen zur Herstellung von Biomasse – während in Deutschland nach den ebenfalls vorläufigen Zahlen des deutschen Umweltbundesamtes 20,4 % der Energie aus erneuerbaren Quellen stammten. Frankreich liegt also tatsächlich vor Deutschland, aber nur um 0,3 Prozentpunkte. Von einem französischen Vorsprung zu sprechen, ohne zu erwähnen, dass er so gering ist, scheint ein wenig irreführend.

Im Einzelnen verbrauchten die Franzosen in den Bereichen Verkehr sowie Heizung und Kühlung mehr Energie aus erneuerbaren Energieträgern als die Deutschen. Im Jahr 2022 entfielen in Frankreich 8,9 % der im Verkehrssektor genutzten Energie auf erneuerbare Energien, in Deutschland waren es 6,8 %. Im Bereich Wärme und Kühlung machten Erneuerbare im vergangenen Jahr 27,2 % der in Frankreich verbrauchten Energie aus, während es in Deutschland 17,4 % waren.

Umgekehrt liegt Deutschland im Stromsektor weit vor Frankreich. Etwa 46,2 % des Stroms, den die Deutschen im letzten Jahr verbrauchten, stammte aus erneuerbaren Energiequellen, verglichen mit 28 % des Stroms, der im selben Jahr von den Franzosen verbraucht wurde.

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der insgesamt verbrauchten Energie steigt in beiden Ländern seit etwa 20 Jahren stetig an. Im Jahr 2004 betrug er nur 9 % und hat sich seitdem mehr als verdoppelt, wie aus den Tabellen von Eurostat, dem Statistikamt der Europäischen Kommission, hervorgeht.

Aber in Deutschland stieg der Anteil der Erneuerbaren schneller an. Der Anteil der erneuerbaren Energien machte 2004 nur 6% der in Deutschland verbrauchten Energie aus, hat sich seitdem aber mehr als verdreifacht und das französische Niveau fast eingeholt.

Seit 2012 verlaufen die deutsche und die französische Entwicklung tatsächlich sehr dicht beieinander, manchmal liegt Frankreich vorne, manchmal Deutschland, aber der Unterschied ist jeweils sehr gering.

Allerdings, und das sollte nicht vergessen werden, lagen die Werte in Frankreich und Deutschland nach dem letzten europaweiten Vergleich im Jahr 2021 unter dem Durchschnitt der EU-Länder, der auf 21,7 % festgelegt wurde.

Und ausserdem ist Frankreich trotz deutlicher Fortschritte noch weit von dem Ziel entfernt, das es sich als Reaktion auf eine Richtlinie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2009 gesetzt hatte. Der Anteil der erneuerbaren Energien an seinem Endenergieverbrauch sollte bis 2020 23% betragen. In dem Jahr war Frankreich das einzige EU-Land, das sein Ziel nicht erreicht hatte. Auch drei Jahre später ist das für 2020 geforderte Niveau immer noch nicht erreicht.

Die Europäische Kommission hat Frankreich ein neues Ziel gesteckt: Der Anteil der erneuerbaren Energien soll im Laufe des Jahres 2030 mindestens 33% der verbrauchten Energie betragen. Ministerin Agnès Pannier-Runacher hat daher im März 2023 ein Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energien auf den Weg gebracht.


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