Tag & Nacht




Der Himmel über dem Südwesten Frankreichs öffnete am 19. Mai 2025 seine Schleusen – und hinterließ eine Spur der Verwüstung, die die Region nicht so schnell vergessen wird. Innerhalb weniger Stunden verwandelten sich Straßen in Flüsse, Bahngleise in gefährliche Schluchten, und der Schienenverkehr geriet komplett aus dem Takt. Die Verbindung zwischen Bordeaux und Marseille? Totalausfall.

Wetterextreme mit voller Wucht

Was in der Nacht geschah, lässt sich nur als meteorologischer Ausnahmezustand beschreiben. Sintflutartige Regenfälle – stellenweise bis zu 78 Liter/m2 in wenigen Stunden – trafen unter anderem Saint-Félix-Lauragais in der Haute-Garonne. Das Resultat: Überschwemmungen, Schlammabrutsche und massive Schäden an der Bahn-Infrastruktur.

In Tonneins (Lot-et-Garonne) führte ein plötzlicher Bodeneinbruch dazu, dass ein TGV auf dem Weg von Paris nach Toulouse eine Notbremsung einlegen musste. Über 500 Passagiere saßen fest, ehe sie stundenlang später in eine kommunale Notunterkunft gebracht wurden. Man stelle sich vor: eingepfercht in einem Zug, umgeben von Dunkelheit und Regen – kein Film, sondern Realität.

Komplette Stilllegung auf der Strecke Bordeaux-Marseille

Die SNCF, Frankreichs staatlicher Bahnbetreiber, sah sich gezwungen, den gesamten Verkehr auf der Strecke zwischen Agen und Marmande einzustellen – ein neuralgischer Punkt auf der Verbindung Bordeaux–Marseille. Auch die viel genutzte TGV-Verbindung Paris–Toulouse ist bis auf Weiteres unterbrochen. Für viele Pendler, Urlauber und Geschäftsreisende ein herber Rückschlag.

Reisende werden nun dazu aufgerufen, ihre Fahrten zu verschieben oder alternative Routen zu prüfen – sofern überhaupt noch etwas fährt. Die Informationssysteme der SNCF glühen, Apps werden ständig aktualisiert. Eine zermürbende Geduldsprobe.

Schäden, so weit das Auge reicht

Und nicht nur die Gleise selbst sind betroffen. Zwischen Toulouse und Rodez stürzten Bäume auf die Schienen, in anderen Regionen wurden Bahndämme unterspült. Es ist ein Puzzle aus kleinen und großen Katastrophen, das derzeit von Wartungstrupps zusammengesetzt werden muss. Ersteinschätzungen lassen darauf schließen, dass die Wiederaufnahme des Normalbetriebs mehrere Tage in Anspruch nehmen dürfte.

Einige Bauarbeiter vor Ort sprechen von Schäden, wie sie sie „seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben“. Ein Satz, der hängen bleibt.

Ein Weckruf für die Infrastruktur?

Die Natur hat keine Geduld – und dieses Mal hat sie erbarmungslos zugeschlagen. Der Vorfall zeigt überdeutlich, wie anfällig selbst hochfrequentierte Verkehrsachsen gegenüber extremen Wetterlagen geworden sind. Und das, obwohl Frankreich 2023 satte 450 Millionen Euro zur Modernisierung der Strecke Bordeaux–Marseille bereitgestellt hat. Neue Züge, neue Technik, ein zentrales Wartungszentrum – all das klingt gut. Aber reicht es?

Vielleicht ist es an der Zeit, über die Geschwindigkeit der Umsetzung zu sprechen. Denn was nützt ein Fahrplan, wenn die Gleise wegschwimmen?

Was Reisende jetzt wissen sollten

Für alle, die dennoch unterwegs sein müssen, gelten derzeit klare Empfehlungen:

  • Stets den aktuellen Status checken: Die offiziellen Seiten der SNCF sowie deren App liefern die zuverlässigsten Infos zur Verkehrslage.
  • Umdenken und flexibel bleiben: Wer kann, sollte auf Busse, Mitfahrgelegenheiten oder Mietwagen umsteigen.
  • Wetter im Blick behalten: Besonders im Frühsommer sind Starkregen und Gewitter keine Ausnahme mehr, sondern immer öfter die Regel.

Der Vorfall von Mitte Mai reiht sich ein in eine Kette immer häufiger auftretender Unwetterereignisse in Europa. Die Klimakrise zeigt ihre Zähne – und mit jedem weiteren Sturm wächst der Handlungsdruck. Doch wie weit müssen die Pegel noch steigen, bis ein flächendeckendes Umdenken stattfindet?

Eins ist klar: Ohne robuste und wetterfeste Infrastruktur – sowohl bei der Bahn als auch bei Straßen und Energieversorgung – steht das Land künftig immer wieder still. Und das mitten im 21. Jahrhundert.

Von Andreas M. Brucker

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