Als der Himmel sich am 2. September 2025 dunkel färbte und der Wind plötzlich zu toben begann, ahnte in Guéhenno niemand, dass dieser Dienstagmorgen nicht wie jeder andere verlaufen würde. Doch was dann geschah, war mehr als ein Wetterumschwung – es war ein Naturereignis, das die kleine bretonische Gemeinde ins Mark traf.
Acht Minuten Verwüstung
Kurz nach acht Uhr morgens zieht ein extrem heftiger Luftwirbel über mehrere Weiler von Guéhenno hinweg – acht Kilometer lang, kaum zehn Minuten lang, aber mit zerstörerischer Kraft. Dächer fliegen davon, Scheunen stürzen ein, ein Wohnmobil wird buchstäblich vom Boden gerissen.
„So etwas haben wir hier noch nie erlebt“, sagt Nolwenn Bauché, Bürgermeisterin der 850-Seelen-Gemeinde. Der Sturm kam ohne Vorwarnung, war auf keiner Wetterkarte angekündigt – und dennoch hinterließ er ein Bild der Zerstörung.
Wenn das Zuhause zum Albtraum wird
Drei Menschen wurden leicht verletzt – unter ihnen ein Kind. Eine Mutter berichtet unter Schock: „Er schlief noch, es war gegen 7:45 Uhr. Er ist aufgewacht, als plötzlich alles auf ihn herunterfiel.“ Ihr Sohn hatte Glück: Ein Holzstück bohrte sich knapp hinter seinem Bett in die Wand, ein Velux-Fenster krachte auf seinen Schreibtisch.
Es ist eine Mischung aus Erleichterung und Entsetzen, die man in den Augen der Bewohner sieht. Viele von ihnen stehen fassungslos vor ihren Häusern, deren Dächer abgerissen wirken. Schutt auf der Straße, zerfetzte Stromleitungen, verwüstete Gärten – das Bild nach dem Sturm ist bedrückend.
Einsatz im Ausnahmezustand
Rund 50 Feuerwehrleute rückten an, um Straßen zu sichern, Dächer notdürftig abzudecken und Menschen zu evakuieren. Priorität habe laut Einsatzleiter Manuel Gouriou, weitere Schäden bei möglichem Regen zu verhindern. Besonders gefährdet: jene Häuser, deren Dächer komplett verloren gingen.
Für mehrere Familien, deren Unterkünfte unbewohnbar geworden sind, werden nun alternative Unterbringungen organisiert. Die Solidarität in der Region ist groß – Nachbarn helfen, Unterkünfte werden angeboten, Spendenaktionen laufen an.
Tornado in der Bretagne – seit wann gibt es das?
Tornados gelten in Frankreich als selten – doch sie sind kein völliges Novum. Besonders in den letzten Jahren häufen sich solche Extremwetterereignisse. Im Département Morbihan, wo Guéhenno liegt, kam es bereits in der Vergangenheit zu kleineren Wirbelstürmen.
Die jetzt gemessenen Windgeschwindigkeiten – 123 km/h auf der nahegelegenen Insel Groix – deuten darauf hin, dass der Tornado von Guéhenno zwischen den Stufen EF1 und EF2 auf der erweiterten Fujita-Skala liegt. Das entspricht Windstärken zwischen 138 und 217 km/h – genug, um Häuserdächer zu zerstören und Fahrzeuge umzukippen.
Warnung in Gelb – reichte das?
Météo-France hatte den Morbihan bereits am Vortag in die Warnstufe Gelb versetzt – wegen möglicher Gewitter und starker Winde. Doch mit einem Tornado in dieser Stärke rechnete niemand. Dass dieser plötzlich und punktuell zuschlug, zeigt einmal mehr die Grenzen selbst modernster Wettervorhersage.
Und es wirft eine unbequeme Frage auf: Müssen wir uns in Zukunft häufiger auf solche Ereignisse einstellen?
Klimawandel – ein neuer Risikofaktor?
Die Zunahme von Extremwetterereignissen in Europa ist längst kein Randthema mehr. Ob Starkregen, Hitzewellen oder eben Tornados – die Natur scheint unberechenbarer zu werden. Fachleute vermuten, dass veränderte Temperatur- und Luftdruckverhältnisse solche Phänomene wahrscheinlicher machen.
Ein Weckruf mit Nachhall
Der Tornado von Guéhenno war mehr als ein Unwetter – er war ein erneuter Weckruf. Für die Bewohner, für die Behörden, aber auch für die gesamte Region. Naturkatastrophen machen auch vor idyllischen Landgemeinden nicht halt. Was bleibt, ist die Frage: Sind wir bereit für das, was kommt?
Von C. Hatty
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