Tag & Nacht

Mehr als zwei Wochen nach seiner Wiederwahl hat der Präsident der Republik noch immer nicht die Zusammensetzung seiner nächsten Regierung bekannt gegeben, was die Gerüchte um seine politische Strategie weiter anheizt.

Mehr als zwei Wochen nach der Wiederwahl des Präsidenten der Republik und drei Tage nach seiner zweiten Amtseinführung ist immer noch nicht der Schatten einer neuen Regierung am Horizont zu sehen, auch wenn Emmanuel Macron inzwischen versichert, seinen neuen Premierminister gefunden zu haben.

Diese Ungewissheit dürfte noch mehrere Tage andauern. Regierungssprecher Gabriel Attal hatte in der vergangenen Woche versichert, dass „die Regierung Castex die erste fünfjährige Amtszeit von Emmanuel Macron, die erst am 13. Mai um Mitternacht endet, zu Ende führen wird“. Diese Strategie wirft Fragen auf – hier einige Antworten und Erklärungen von Franceinfo.

Das Profil des oder künftigen Regierungschef:in, das Emmanuel Macron während seines Wahlkampfs und nach seiner Wiederwahl skizziert hat, hat etwas von einer Quadratur des Kreises. Es geht darum, den oder die Politiker:in zu finden, die Kompetenz verkörpert, aber auch stark genug ist, um die Regierungsmaschine am Laufen zu halten. Ein Schwergewicht, von dem sich viele wünschen, dass es eine Frau ist. Im Jahr 2017 hatte der Kandidat Macron den Wunsch geäußert, eine Premierministerin zu ernennen. Damals noch ein frommer Wunsch, denn zwei Männer – Edouard Philippe und Jean Castex – wechselten sich im Amt des Regierungschefs ab. Fünf Jahre später wird das Gerücht, dass eine Frau in das Palais Matignon ernannt werden könnte, immer stärker.

Zwischen den beiden Wahlgängen versprach Emmanuel Macron außerdem, einen Premierminister zu ernennen, der „direkt für die ökologische Planung zuständig“ sei. Bei einem Besuch in Cergy (Val-d’Oise), drei Tage nach seiner Wiederwahl, kündigte er an, er werde „jemanden ernennen, der der sozialen Frage, der Umweltfrage und der Produktionsfrage verpflichtet ist“.

Der oder die neue Regierungschef:in muss auch politisch geschickt sein, da die wichtigen Parlamentswahlen vor der Tür stehen. Kurzum, der Name der Person, die all diese Kriterien in sich vereint, springt nicht ins Auge.

Und doch hat Emmanuel Macron anscheinend diese seltene Perle gefunden. Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin am Montagabend versicherte er, dass er „natürlich“ den Namen des nächsten Premierministers bereits kenne, „aber ich werde es nicht hier und jetzt sagen“, antwortete er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz.

Offensichtlich hat das Sprichwort „Matignon kann man nicht ablehnen“ im Jahr 2022 unter französischen Spitzenpolitikern an Gewicht verloren. Im Elysée-Palast wird allerdings bis heute versichert, dass „der Präsident bisher niemandem den Posten des Premierministers angeboten hat“. „Einige Personen, die gesagt haben, sie hätten den Posten abgelehnt, sind in Wirklichkeit nie vom Präsidenten der Republik oder vom Generalsekretär des Elysée-Palastes angesprochen worden“, sagt ein Ministerialberater gegenüber Franceinfo.

Der Staatschef will offensichtlich bei der Bekanntgabe seiner künftigen Regierung das Gleichgewicht zwischen Ministern, die von der Rechten kommen, und solchen, die von der Linken kommen, respektieren. Macron will Persönlichkeiten aus dem Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Lager in die Regierung berufen, wenn nötig, sogar lokale Abgeordnete. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass die Bildung einer neuen Regierung Zeit braucht.

Dass sich Emmanuel Macron Zeit lässt, liegt auch daran, dass es einen weiteren grundlegenden Wahltermin gibt: die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni. Der Staatschef will wohl das Tempo und den Beginn des Wahlkampfs kontrollieren, indem er mit der Bekanntgabe der neuen Regierung den eigentlichen Startschuss für die Parlamentswahlen gibt. Laut einem Minister will Emmanuel Macron „einen kurzen Wahlkampf“ für die Parlamentswahlen, „vielleicht um einen Überraschungseffekt“ der Ernennungen zu nutzen.

Emmanuel Macron setzt möglicherweise auf den „Wow-Effekt“ der neuen Regierung.

Aber wird dieser von Macron gewünschte „Wow“-Effekt wirklich eintreten? Mit seiner Strategie hat Emmanuel Macron das Feld für Mélenchon und die Linke freigemacht, sich in einem historischen Bündniss neu aufzustellen und zu mobilisieren. Die Parlamentswahlen, die normalerweise die Bestätigung der Präsidentschaftswahlen sind, werden diese Jahr zu einer echten politischen Wahl und grossen Herausforderung für den wiedergewählten Präsidenten.


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