Tag & Nacht


Ein entlegener Flughafen, dichter Regen, ein betagtes Flugzeug: Im russischen Fernen Osten hat sich am 24. Juli eine Tragödie ereignet, die viele Menschenleben forderte. Eine Antonov An-24, Baujahr 1976, ist beim Anflug auf die Stadt Tynda abgestürzt. Keiner der 48 Menschen an Bord überlebte. Darunter: fünf Kinder.

Was wie eine Szene aus einem düsteren Katastrophenfilm klingt, ist bittere Realität – und rückt die schwierige Lage der russischen Luftfahrt erneut in den Fokus.

Der Flug startete in Khabarovsk, legte einen Zwischenstopp in Blagoweschtschensk ein und sollte Tynda als letztes Ziel erreichen. Doch beim zweiten Landeversuch verschwand die Maschine vom Radar. Wenig später entdeckten Rettungskräfte das Wrack – brennend, zerschellt, versteckt in unwegsamem Bergwald, rund 15 Kilometer südlich des Flughafens.

Die Bedingungen? Miserabel. Dichter Regen, schlechte Sicht, starker Wind. Kein ideales Flugwetter, schon gar nicht für ein fast 50 Jahre altes Flugzeug.

Die Antonov An-24 ist kein modernes Flugzeug. Sie stammt aus sowjetischer Produktion, flog erstmals in den 1960er-Jahren, war aber bis zuletzt in abgelegenen Regionen wie der Amur-Region im Einsatz. Aus Kostengründen. Aus Mangel an Alternativen. Und oft aus purer Notwendigkeit.

Denn in vielen Teilen Russlands ist die Luftfahrt nicht Luxus, sondern Lebensader. Doch gerade dort, wo Flugzeuge unverzichtbar sind, sind sie oft am ältesten. Ersatzteile fehlen, Wartung wird improvisiert, Pilotinnen und Piloten arbeiten unter extremem Druck. Nach dem Einbruch westlicher Lieferketten durch internationale Sanktionen hat sich die Situation dramatisch verschärft.

Flugzeugteile sind Mangelware. Neue Maschinen? Fast unerschwinglich. Stattdessen werden alte Flieger wieder flott gemacht – oder ausgeschlachtet, um andere am Leben zu erhalten. Ein riskantes System des „Über-die-Runden-Kommens“.

Die Absturzursache ist noch nicht abschließend geklärt. Doch vieles deutet auf eine fatale Mischung hin: schlechtes Wetter, womöglich Navigationsprobleme, vielleicht menschliches Versagen – und ganz sicher ein Flugzeug, das seine besten Jahre längst hinter sich hatte.

Wie oft wird nach so einem Unfall beteuert, man wolle nun „konsequent aufklären“ und „die Sicherheit erhöhen“? Derweil stehen dieselben Maschinentypen weiter auf den Startbahnen russischer Provinzflughäfen – bereit zum nächsten Start, in unsichere Bedingungen, mit unsicherem Ausgang.

Der regionale Gouverneur hat drei Tage Staatstrauer angeordnet. Schwarz beflaggte Rathäuser, Schweigeminuten, stille Anteilnahme. Und es bleibt die Frage: Was muss noch passieren, damit sich wirklich etwas ändert?

Wie sicher ist Fliegen in Regionen, wo Technik, Wetter und Personal gleichzeitig an ihre Grenzen stoßen?

Der Absturz bei Tynda ist mehr als ein tragisches Unglück. Er ist ein Alarmsignal – laut, eindringlich und unausweichlich.

Von C. Hatty

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