Tag & Nacht

In einer außergewöhnlichen Zusammenkunft am Mittwochabend hat der französische Präsident Emmanuel Macron die Führungen der Parteien und parlamentarischen Gruppen seiner Regierungsmehrheit zu einem langen Arbeitsessen eingeladen.

Hintergrund ist die alarmierende Entwicklung des öffentlichen Defizits Frankreichs, das 2023 „signifikant“ höher als die prognostizierten 4,9 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausfallen wird. Ein Umstand, der die finanzielle Glaubwürdigkeit Frankreichs gefährdet und den Vorwurf der „budgetären Inkompetenz“ durch die Opposition befeuert.

Ein Defizit außer Kontrolle

Laut dem französischen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wird das Defizit der öffentlichen Haushalte im Jahr 2023 weit über den geplanten 4,9 % des BIP liegen. Angesichts dieser Prognose scheint das Ziel, das Defizit auf 4,4 % zu reduzieren, unerreichbar. Die Zeitung „Les Échos“ berichtet sogar von Befürchtungen innerhalb der Regierung, dass das Defizit auf bis zu 5,6 % ansteigen könnte, während „Le Figaro“ von einer möglichen Marke von 5,5 % spricht – mit einer Fehlermarge von 0,3 Prozentpunkten.

Krisentreffen im Elysée-Palast

Angesichts dieser düsteren Prognosen setzte Macron auf direkte Gespräche mit den Führungskräften seiner Mehrheit. „Wir stehen vor einer konjunkturellen wirtschaftlichen Schocksituation, insbesondere bedingt durch geopolitische Entwicklungen. Wir übernehmen Verantwortung und sprechen die Wahrheit gegenüber den Franzosen“, erklärte er. Trotz allem betonte Macron, dass Frankreich im Gegensatz zu einigen seiner Nachbarn einer Rezession entkomme.

Umdenken in der Haushaltspolitik

Das Treffen diente auch dazu, bereits vorgeschlagene Maßnahmen zur Eindämmung der Ausgaben für Arbeitslosenversicherung und Gesundheitswesen zu diskutieren. Macron schloss jedoch die Vorstellung eines revidierten Budgetentwurfs in den kommenden Monaten aus, ein Schritt, der riskant erscheint, da er lediglich über eine relative Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt.

Kritik und Gegenkritik

Die Ankündigung von Sparmaßnahmen und die Diskussion um die Umgestaltung des Sozialstaates haben innerhalb der politischen Landschaft Frankreichs für Kontroversen gesorgt. Kritiker werfen der Regierung vor, das Defizit zugunsten von Steuergeschenken an Unternehmen und Reiche ausgeweitet zu haben, während die Regierung die Opposition beschuldigt, Vorschläge zu machen, die die Staatsausgaben erhöhen würden.

Ein Blick auf die Zukunft

Die nahende Überprüfung durch Ratingagenturen wie Fitch, Moody’s und S&P setzt die Regierung unter Druck. Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs könnte die Zinsen für staatliche Kredite in die Höhe treiben und die Schuldenverwaltung erschweren. Während sich die Kampagne für die Europawahlen am 9. Juni aufheizt, bleibt die finanzielle Situation Frankreichs ein zentrales Streitthema zwischen den politischen Lagern.


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