Tag & Nacht

Die europäische NGO SOS Méditerranée hat am Donnerstag zum ersten Mal Frankreich, Spanien und Griechenland um Hilfe gebeten, um einen Hafen zu finden und die 234 Migranten, die von ihrem Schiff, der „Ocean Viking“, aus dem Meer gerettet wurden, an Land zu bringen. In Frankreich stieß der Hilferuf nicht nur auf Zustimmung.

Der Hilferuf der NGO SOS Méditerranée vom Donnerstag, dem 3. November, um einen hafen für die 234 aus dem Meer gefischten Migranten zu finden, die sich derzeit an Bord der „Ocean Viking“ befinden, wurde von einer rassistischen Beleidigung des RN-Abgeordneten Grégoire de Fournas aus Gironde überschattet. Fournas wurde ausfallend, als der LFI-Abgeordnete Carlos Martens Bilongo die Regierung in der Nationalversammlung auf ihre Politik zur Unterstützung von Migranten ansprach. In Bezug auf eine Aufnahme des Migrantenschiffs scheinen die Positionen innerhalb der Regierung recht unterschiedlich zu sein.

Da ist zunächst die Linie von Jean-Christophe Combe, dem Minister für Solidarität. Er war am Freitag, dem 4. November, zu Gast bei Franceinfo und vertrat die Ansicht, dass die Aufnahme dieser Migranten in erster Linie eine Frage der Menschlichkeit sei. „Frankreich ist bereit, sie wie jedes andere Land aufzunehmen“, erklärte er.

Zur gleichen Zeit pochte Innenminister Gérald Darmanin auf dem Sender BFMTV jedoch auf das internationale Recht. „Es ist der nächstgelegene, sicherste Hafen, der sie aufnehmen muss, in diesem Fall Italien. Wir zweifeln nicht einen Augenblick daran, dass Italien, das in der Europäischen Union ist und das alle internationalen Übereinkommen unterzeichnet hat, dieses Schiff aufnehmen wird. Und wir haben gesagt, dass wir, wenn dieses Boot in Italien anlanden darf, einen Teil der Migranten, Frauen und Kinder, aufnehmen werden“, erklärte der Innenminister.

Eine diplomatische und politische Herausforderung mit dem neuen Italien von Giorgia Meloni.
Trotz dieser unterschiedlichen Aussagen ist es genau dieses Prinzip, das die Regierung verfolgt. Italien muss das Schiff aufnehmen, weil es sich heute näher an seiner Küste befindet. Anschließend wird Frankreich seine Hilfe bei der Aufnahme von Migranten anbieten.

Warum aber solche Bedingungen? Frankreich will keinen Präzedenzfall schaffen und eine Bresche schlagen, indem es ein Migrantenschiff aufnimmt, das nach internationalem Recht in die Verantwortung Italiens fällt.

Eine sehr politische Position, die auch mit dem kürzlichen Amtsantritt von Giorgia Meloni zusammenhängt. Die neue italienische Ministerpräsidentin, die von der extremen Rechten kommt, hat fast ihren gesamten Wahlkampf auf die Blockade von Migrantenschiffen ausgerichtet. Emmanuel Macron traf sie vor etwas mehr als zehn Tagen in Rom am Rande eines Besuchs im Vatikan und versprach „Dialog und Anstrengungen“. Die Umsetzung erfolgt sofort: Die französische Regierung beabsichtigt, Giorgia Méloni mit ihrer Verantwortung zu konfrontieren, selbst wenn es zu diplomatischen Auseinandersetzungen kommen muss.

Die Frage der Aufnahme von Migranten hat in den letzten Jahren häufig zu heftigen Auseinandersetzungen mit Italien geführt. Einer der schwierigsten Fälle war die Aufnahme der Aquarius, des Schiffes von SOS Méditerranée, auf dem 2018 mehr als 600 Migranten festsaßen. Frankreich hatte sich geweigert, das Schiff aufzunehmen, da es der Ansicht war, dass es Aufgabe Italiens sei, die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. Der italienische Innenminister Matteo Salvini hatte sich daraufhin ebenfalls geweigert, italienische Häfen zu öffnen. Damals hatte Emmanuel Macron Italien wegen seines „Zynismus“ kritisiert, was die politische Spaltung der beiden Länder aufleben ließ.


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