Tag & Nacht




Ein Blick auf Europas Böden im Sommer 2025 offenbart ein beunruhigendes Bild. Der Kontinent und das Mittelmeergebiet erleben zu Monatsbeginn eine Dürre von historischem Ausmaß – mit dramatischen Folgen für Mensch, Natur und Landwirtschaft.

Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Mehr als die Hälfte der europäischen Böden – exakt 52 Prozent – waren in den ersten zehn Julitagen von Trockenheit betroffen. Das ist der höchste je gemessene Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2012. Besonders brisant: Gegenüber dem langjährigen Durchschnitt für diesen Zeitraum (2012–2024) liegt der Wert um ganze 21 Prozentpunkte höher.

Und selbst das ist nicht der traurige Höhepunkt: Bereits Ende Juni lag die betroffene Fläche mit 55,5 Prozent noch höher – ein absoluter Rekordwert. Diese Zahlen stammen vom Europäischen Dürreobservatorium (EDO), das im Rahmen des Copernicus-Programms der EU arbeitet. Satellitengestützte Daten analysieren dabei Niederschlagsmengen, Bodenfeuchtigkeit und den Zustand der Vegetation – drei Indikatoren, die das Ausmaß der Dürre verlässlich erfassen.

Osteuropa brennt – im übertragenen wie im wörtlichen Sinn

Besonders heftig trifft es den Osten des Kontinents. Im Kosovo, in Serbien und Bulgarien sind fast 100 Prozent der Böden betroffen – ein Drittel davon sogar in der höchsten Warnstufe: Alarm. In Bulgarien waren Mitte Juli über 156.000 Menschen von Wasserknappheit betroffen. In Ungarn schnellte der Anteil der Regionen im Alarmzustand Anfang Juli auf 47 Prozent – mehr als doppelt so viel wie noch zwei Wochen zuvor.

Am östlichen Mittelmeer spitzt sich die Lage ebenfalls zu: In Armenien leiden 95 Prozent der Böden unter der Trockenheit, in der Türkei sind es 77 Prozent. Dort sorgen zusätzlich starke Winde für eine gefährliche Mischung – Hunderte Brände sind bereits ausgebrochen.

Frankreich trocknet langsam aus

Westlich der Elbe zeigt sich ein gemischteres Bild. In Großbritannien ist der Anteil der in Alarmstufe befindlichen Flächen innerhalb weniger Tage um sechs Prozentpunkte auf 18 Prozent gestiegen. Und auch in Frankreich verschärft sich die Situation: Zwar sind nur 12 Prozent der Böden in der höchsten Alarmstufe, aber insgesamt gelten zwei Drittel des Landes als von Trockenheit betroffen – vor allem der Westen. Die Wiesen verdorren, die Landwirtschaft leidet, und die Trinkwasserversorgung steht lokal unter Druck.

Spanien und Portugal: Die überraschenden Ausnahmen

Ein unerwarteter Lichtblick kommt von der Iberischen Halbinsel. Spanien und Portugal, sonst regelmäßig Dürre-Hotspots, sind diesmal glimpflich davongekommen. In Spanien sind nur sechs Prozent der Böden betroffen, in Portugal gar nur ein Prozent – ein ungewöhnlich niedriger Wert. Die Ursachen dafür liegen vermutlich in lokal intensiveren Frühjahrsniederschlägen und milderen Temperaturen. Aber wie lange hält diese Atempause?

Die Dürre ist kein Einzelfall – sie ist das neue Normal

Was wir aktuell erleben, ist kein meteorologischer Ausrutscher. Der Klimawandel, angetrieben durch jahrzehntelangen CO₂-Ausstoß aus der Verarbeitung und Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, verändert Europas Wettergrundlage – schneller als je zuvor. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die gesamte Erde um 1,1 Grad erwärmt, und die Auswirkungen sind allgegenwärtig: Dürren, Hitzewellen, Waldbrände, Ernteausfälle.

Besonders heimtückisch: Die Dürre kommt oft schleichend, fast unmerklich. Kein spektakulärer Sturm, kein reißender Fluss – sondern leere Reservoirs, staubtrockene Felder und immer mehr Regionen, in denen Wasser zum Luxus wird.

Und jetzt?

Es gibt keine einfachen Lösungen – aber es gibt Handlungsoptionen. Der Ausbau erneuerbarer Energien, sparsamerer Wasserverbrauch, nachhaltige Landwirtschaft, ein bewussterer Fleischkonsum: All das kann helfen, den Klimakollaps zu bremsen.

Doch zuerst müssen wir die Realität anerkennen. Was früher als Ausnahme galt, ist längst zur Regel geworden. Und wer glaubt, dass es „nur“ die Landwirtschaft betrifft, übersieht die eigentliche Dimension: Trinkwasser, Ernährungssicherheit, gesellschaftlicher Zusammenhalt – alles steht auf dem Spiel.

Die entscheidende Frage lautet: Wie trocken darf Europa noch werden, bevor es zu spät ist?

Von C. Hatty

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