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Verlangsamt durch den Widerstand der Kleinaktionäre konnte die 100%ige Wiederverstaatlichung des Stromerzeugers EDF am Donnerstag, fast ein Jahr nach der Entscheidung der Regierung, endlich vollzogen werden. Die Exekutive will so in der Lage sein, die Atomkraft in Frankreich wiederzubeleben.

Trotz der Widerstand der Kleinaktionäre „hat der französische Staat heute das Verfahren zum obligatorischen Rückkauf der Kapitalanteile von EDF durchgeführt“, wie das Wirtschaftsministerium am Donnerstag, dem 8. Juni in einer Pressemitteilung erklärte. „Folglich hält der Staat nun das gesamte Kapital und die gesamten Stimmrechte von EDF“.

Die französische Finanzmarktaufsicht (AMF) hatte Ende Mai den 8. Juni als Stichtag angekündigt, an dem die Aktionäre, die die noch ausstehenden 2 % der Aktien besaßen, gezwungen sein würden, ihre Anteile zu verkaufen, wodurch der Staat 100 % des Kapitals halten wird.

„Diese Wiedererlangung der vollständigen Kontrolle über unseren nationalen Stromversorger war eine Priorität der Regierung“, begrüßte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire die Transaktion, die 9,7 Milliarden kostete. Die für Juli 2022 angekündigte Wiederverstaatlichung „war unerlässlich, um EDF zu ermöglichen, mehrere entscheidende Baustellen beschleunigt zu bearbeiten“, insbesondere die Erhöhung der Produktion der bestehenden Kernkraftwerke, fügte er hinzu.

Beschleunigung der Wiederbelebung der Kernenergie und der Entwicklung erneuerbarer Energien.
Dieser „Zwangsrückzug“ der EDF von der Börse zwingt die letzten widerspenstigen Aktionäre dazu, ihre Anteile für 12 Euro netto pro Aktie abzustoßen – 20 Euro unter dem Preis des Börsengangs im Jahr 2005. Dem vorausgegangen war ein monatelanger Rechtsstreit um diesen Preis, der von den Kleinaktionären, die zum Teil ihre Ersparnisse auf die Zukunft auf Aktien der EDF gesetzt hatten, als zu niedrig angesehen wurde. Unter ihnen waren auch Angestellte oder ehemalige Angestellte von EDF, die ihre Aktien mit einem Preisnachlass von 20 % gekauft hatten.

Es wurden zahlreiche Klagen eingereicht, um mindestens 15 Euro pro Aktie zu erhalten, was das Übernahmeangebot des Staates verzögerte.

Bis vor einigen Monaten hielt der Staat 84 % des Unternehmens. Die vollständige Übernahme der Kontrolle soll es ihm nun ermöglichen, die Wiederbelebung der Kernenergie mit dem angekündigten Bau von mindestens sechs neuen Reaktoren zu beschleunigen. Bis zur Inbetriebnahme dieser neuen Blöcke, die bestenfalls 2035-2037 erfolgen wird, müssen Frankreich und EDF sich doppelt anstrengen, um erneuerbare Energien zu entwickeln und den Rückstand gegenüber den europäischen Nachbarn aufzuholen.

Einziger Haken: Der finanzielle Spielraum der EDF scheint nicht vorhanden zu sein: Bei der Vorstellung der Jahresergebnisse für 2022 Mitte Februar dieses Jahres hatte der Energieversorger eine Rekord-Nettoschuld von 64,5 Milliarden Euro bekannt gegeben. Das ist zum Teil die Folge einer historisch niedrigen Stromproduktion im Jahr 2022. Hinzu kommen die Entdeckung von Korrosionserscheinungen in mehreren Kernkraftwerken und der Zwangsbeitrag des Unternehmens zu dem von der Regierung beschlossenen „Tarifschild“ für Strompreise.

Die Zeit drängt: Die geschätzten Kosten für den Bau der ersten sechs EPR-Reaktoren belaufen sich nach den jüngsten Schätzungen von EDF auf 51 Milliarden Euro, eine Summe, die das Unternehmen unmöglich allein und ohne Hilfe des Staates wird stämmen können.


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