Tag & Nacht

Vor genau zehn Monaten begann Wladimir Putin seinenÜberfall auf die Ukraine, damit den Krieg auf europäischen Boden zurückzubringen und die schwerste geopolitische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg auszulösen. Doch die Ukraine leistet Widerstand und kämpft für Freiheit und Demokratie.

Es war der 21. Dezember 1941. Während sich der Zweite Weltkrieg ausweitete und die Vereinigten Staaten unter dem Schock des Angriffs auf Pearl Harbour standen, machte sich Winston Churchill auf die Reise nach Washington. Er folgte der Einladung von Präsident Roosevelt und nahm das Risiko auf sich, trotz der Bedrohung durch deutsche U-Boote den Atlantischen Ozean zu überqueren. Der britische Premierminister sollte anschliessend vor dem US-Kongress eine bemerkenswerte Rede halten. „Wir stehen enormen Mächten gegenüber. Sie sind verbissen, sie sind skrupellos“, sagte er vor den amerikanischen Abgeordneten und fügte hinzu: „Und wir stehen zusammen, um alles zu verteidigen, was den freien Menschen am Herzen liegt“. 81 Jahre später reiste Volodymyr Zelensky, der mutige Präsident eines überfallenen Landes, das tapfer Widerstand leistet, nach Washington, um Joe Biden zu treffen und ebenfalls eine Rede vor dem US-Kongress zu halten.

Die heutige Situation ist natürlich nicht von gleicher Tragweite wie der 2. Weltkrieg, aber die Ähnlichkeiten führen zwangsläufig dazu, dass man darüber nachdenkt, was sich heute in der Ukraine abspielt, diesem grossen Agrarland, das vor zehn Monaten von Wladimir Putins Russland überfallen wurde. Um den Nachbarn innerhalb weniger Tage zu „entnazifizieren“ und die Regierung zu ersetzen. Eine „Sonderoperation“, die angesichts des unglaublichen Widerstands des ukrainischen Volkes ins Stocken geriet.

„Ihr Geld ist keine Almosen, es ist eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie, die wir auf die verantwortungsvollste Weise verwalten“, versicherte Zelensky den Amerikanern, als er sie um neue Waffen bat. „Entgegen den schlimmsten Vorhersagen ist die Ukraine nicht gefallen. Die Ukraine ist lebendig und kämpferisch. Sie steht zu ihrer Überzeugung und wird sich niemals ergeben“, versicherte der ukrainische Präsident, der sein Land seit dem 24. Februar 2022 nicht mehr verlassen hatte.

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Wolodymyr Selenskyj spricht vor dem US-Kongress.

Zehn Monate Krieg, die die Welt erschütterten und die schlimmste geopolitische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg auslösten; zehn Monate Krieg, die eine weltweite Energiekrise und eine Nahrungsmittelkrise auslösten; zehn Monate Krieg, die Fotos und Videos von den Kämpfen, der Zerstörung, den Massakern, der Not eines Volkes und seinem Widerstand zu uns brachten.

Wir kennen alle die Bilder der hageren Gesichter der Bewohner von Kiew, Charkiw, Mariupol oder Cherson. Wir haben die Widerstandskraft der Ukrainer gesehen, die in Kellern oder der U-Bahn Zuflucht gesucht haben. Verstümmelte Körper in den Straßen von Butcha oder exhumierte Leichen aus den Massengräbern von Isjum haben ebenso wie der Einfallsreichtum einer ukrainischen Armee, die sich erfolgreich gegen das Militär des grössten Landes der Welt zur Wehr setzt, die Nachrichten bestimmt. Die vergangenen 10 Monate waren geprägt von den Lügen und der Propaganda Wladimir Putins und Bildern von der Frontlinie, wo schlammige Gräben ausgehoben werden, die an die des Ersten Weltkriegs erinnern. Die Worte Kriegsverbrechen und Massaker sind auf schmerzhafte Weise in das Bewusstsein der Europäer eingedrungen…

Und jetzt, zehn Monate später weiß niemand, wann dieser Krieg enden wird: Wolodymyr Selenskyj verspricht, zu kämpfen, um die volle Souveränität der Ukrainer über ihr gesamtes Territorium einschließlich der Krim wiederzuerlangen. Sein Widersacher Wladimir Putin kann es sich nicht leisten, das Gesicht zu verlieren, da er sonst alles verlieren würde, und kündigt neue Mobilisierungen und neue Raketen an.

Auch nach zehn Monaten Krieg, zigtausend Getöteten und tausenden russischen Raketen scheint die Zeit für Friedensgespräche noch nicht gekommen zu sein.

Während Wladimir Putin am Donnerstag versicherte, er wolle den Konflikt in der Ukraine „so schnell wie möglich“ beenden, meinte US-Außenminister Antony Blinken, Russland habe bisher keinen „nennenswerten“ Willen gezeigt, den Krieg zu beenden, der auf beiden Seiten bereits 200.000 Soldaten und vielen ukrainischen Zivilisten das Leben kostete.


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