Inmitten der geopolitischen Spannungen und der Rückkehr des Krieges nach Europa hat die Diskussion um die französische Nuklearstrategie und ihre Rolle in der Verteidigung des Kontinents neuen Auftrieb erhalten.
Präsident Emmanuel Macron hat kürzlich Vorschläge gemacht, die darauf hindeuten, dass Frankreich bereit sein könnte, seine nukleare Abschreckung im Rahmen einer europäischen Verteidigungsstrategie zu erweitern.
Was sagt die französische Doktrin?
Seit General de Gaulle hat sich die französische Nukleardoktrin weiterentwickelt. François Mitterrand führte den Begriff der „vitalen Interessen des Landes“ ein, was eine gewisse Flexibilität in der Anwendung dieser Waffen impliziert. Die Website Vie Publique erläutert, dass das Territorium, die Bevölkerung und die Souveränität Frankreichs als Kern dieser Interessen angesehen werden.
Macron hat diese Sichtweise um eine europäische Dimension erweitert. Am 7. Februar 2020 erklärte er gegenüber den Teilnehmern eines Lehrgangs an der französischen Kriegs-Akademie, dass, obwohl Frankreich nicht die „erweiterte Abschreckung“ im amerikanischen Sinne praktiziere, die vitalen Interessen Frankreichs nun untrennbar mit denen seiner europäischen Nachbarn verbunden seien. Frankreich behalte seine Eigenständigkeit, sei aber bereit, mehr zur Verteidigung Europas beizutragen.
Wer trifft die Entscheidung über den Einsatz?
Derzeit liegt die Entscheidungsgewalt über den Einsatz der Atomwaffen ausschließlich beim französischen Präsidenten. Sollte Frankreich jedoch beschließen, seine Nuklearkapazitäten im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik zur Verfügung zu stellen, müsste das Entscheidungsverfahren angepasst werden. Wie aber könnte eine solche Entscheidung schnell und effektiv getroffen werden, wenn eine nukleare Bedrohung vorliegt?
Gibt es Widerstand in Frankreich?
Die politischen Reaktionen in Frankreich zeigen, dass nicht alle die Idee einer gemeinsamen nuklearen Verteidigung unterstützen. Während einige die Eröffnung dieser Debatte als „unverantwortlich“ kritisieren, fürchten andere um den „Nerv der französischen Souveränität“. Die Möglichkeit, dass die EU kollektiv über den Einsatz von Nuklearwaffen entscheiden könnte, stößt auf erheblichen Widerstand.
Existiert eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa?
Die Europäische Union hat bereits eine Politik der Sicherheit und Verteidigung etabliert, die jedoch bisher keine nukleare Abschreckung umfasst. Über 30 Operationen wurden bereits im Rahmen dieser Politik durchgeführt, meist in Form von militärischen Ausbildungsmissionen.
Das Thema der nuklearen Abschreckung und die Rolle Frankreichs in einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsstrategie werfen viele Fragen auf. Kann Europa eine solche Machtverteilung handhaben? Würde dies zu einer sichereren oder instabileren geopolitischen Landschaft führen? Diese Fragen sind zentral für die Zukunft der europäischen Sicherheit und bleiben vorerst unbeantwortet.
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