Tag & Nacht

In Frankreich, der Heimat der größten jüdischen Gemeinde Europas, ist eine erschreckende Welle der Angst spürbar. Eine aktuelle Studie des Ifop für die französische Abteilung des American Jewish Committee (AJC Paris) offenbart, dass sich seit dem 7. Oktober — dem Tag des Angriffs des Hamas auf Israel — 86% der französischen Juden vermehrt Sorgen machen, Opfer antisemitischer Übergriffe zu werden.

Aber was genau hat sich geändert?

Spott, Beschimpfungen, körperliche Angriffe – antisemitische und antizionistische Handlungen sind in den letzten sieben Monaten immer häufiger geworden. Diese besorgniserregenden Entwicklungen zwingen viele dazu, ihre alltäglichen Gewohnheiten zu überdenken und anzupassen. So hat etwa die Hälfte der Betroffenen aufgehört, religiöse Symbole in der Öffentlichkeit zu tragen. Ein Drittel meidet zunehmend das Taxi und 19% haben sogar die Mézouzah von ihren Haustüren entfernt — jenen kleinen Schriftrollenbehälter mit biblischen Texten, der traditionell an den Türrahmen jüdischer Häuser angebracht wird.

Und wie steht es um die sozialen Medien?

54% der französischen Juden betrachten soziale Netzwerke mittlerweile als gefährlich, hauptsächlich wegen des Anstiegs antisemitischer Inhalte seit dem Angriff. Die Angst ist aber nicht das einzige Gefühl, das die Gemeinschaft umklammert. Acht von zehn Befragten empfinden eine tiefe Einsamkeit, verstärkt durch die jüngsten Ereignisse.

Warum fühlt sich eine so große Zahl von Menschen so isoliert?

Die Antwort liegt wohl in der allgegenwärtigen Bedrohung und der schwindenden Sicherheit im öffentlichen Raum. Viele fühlen sich unverstanden und alleingelassen mit ihrer Angst. Die Anpassungen im Alltag sind ein trauriges Zeugnis dafür, wie tief die Sorge vor Übergriffen sitzt.

Ein Aspekt, der in der Umfrage besonders auffiel, war die aktive Suche nach Gemeinschaft und Sicherheit. 17% der Befragten haben spezielle Messaging-Gruppen gegründet, um sich mit engen Freunden und Familie auszutauschen. 18% haben sogar ihren Nachnamen auf Lieferdienst-Apps wie Deliveroo oder Amazon geändert, um ihre Identität zu schützen.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Die Zahlen sind ein klares Signal, dass die jüdische Gemeinde in Frankreich sich zunehmend unsicher fühlt. Die ständige Angst und Vorsicht, die viele jüdische Franzosen empfinden, zeigt, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu gewährleisten.

In dieser beunruhigenden Zeit ist es essenziell, dass sowohl die Regierung als auch die Zivilgesellschaft aktiver werden, um den Schutz der jüdischen Gemeinde zu stärken und allen Formen des Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Denn wie können wir von einer Gesellschaft sprechen, die auf den Werten der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit beruht, wenn ein Teil ihrer Mitglieder in ständiger Angst leben muss?

Die jüdische Gemeinde in Frankreich steht heute vor einer Zerreißprobe. Doch eines ist klar: Die Antwort auf diese Krise muss stark, entschlossen und gemeinschaftlich sein.


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