Tag & Nacht

Frankreichs öffentliches Defizit wird im Jahr 2023 „über 5 %“ des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, was deutlich über den ursprünglichen Erwartungen der Regierung liegt. Emmanuel Macron hatte deswegen die wichtigsten Minister seiner Regierung am Mittwochabend, dem 20. März, zu einem Arbeitsessen eingeladen. Welche Maßnahmen kann die französische Regierung ergreifen, um Einsparungen zu erzielen und das Defizit zu verringern?

Die Bilanzen sind ernüchternd. Entgegen der Regierungsprognose von einem Defizit von 4,9 % des BIPs für das Jahr 2023, wird es tatsächlich „über“ 5 % liegen. Der Sender France Info spricht sogar von einem möglichen Defizit von 5,6 % – sollte diese Zahl bestätigt werden, wäre es das höchste Defizit eines Staates in der Eurozone. Das französische Staatsdefizit beläuft sich auf 173 Milliarden Euro. Thomas Cazenave, Staatssekretär für das öffentliche Rechnungswesen, führt diese Entwicklung auf einen „neuen wirtschaftlichen Kontext“ zurück. Ursprünglich wurde ein Defizit von 3 % des BIPs bis 2027 angestrebt.

Seit seiner Amtsübernahme im Élysée-Palast hat Emmanuel Macron Milliarden Euro an öffentlichen Hilfen ausgegeben, um den Gelbwesten entgegenzukommen, das Land durch die Covid-19-Pandemie zu führen, die Ukraine zu unterstützen, einen Preisstopp für Strom einzuführen und verschiedene Hilfsschecks (Kraftstoffzuschuss, Holzscheck, Heizölscheck…) an ärmere Haushalte auszustellen. Nun ist die Lage ernst. Die Zeit des „koste es, was es wolle“ ist vorbei, was auch der Grund dafür war, dass die öffentlichen Finanzen im Mittelpunkt eines Arbeitstreffens standen, das Macron am 20. März mit den wichtigsten Miniatern und den Führungskräften der parlamentarischen Gruppen im Élysée organisiert hatte.

Erste Einsparungen von 10 Milliarden Euro?

Im Februar wurde ein erster Sparplan von 10 Milliarden Euro angekündigt – zur Hälfte aus Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben und zur Hälfte bei den Ministerien. Das Sparprogramm umfasst drei Hauptbereiche: Kürzung der Betriebskosten, Verschiebung von Projekten und eine Senkung der vom Staat in Programme wie MaPrimeRénov‘ oder das „persönliche Weiterbildungskonto“ investierten Mittel. Doch die 10 Milliarden Euro werden offensichtlich nicht ausreichen. „Die Gratismentalität ist unhaltbar“, erklärte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, am Sonntag.

Bis 2025 plant Frankreich, 20 Milliarden Euro im Staatshaushalt sowie im Sozialversicherungsbudget einzusparen – ein Posten, für den Frankreich weit mehr ausgibt als andere Länder.

„Ich erwarte von Ihnen konkrete Vorschläge“, sagte der Staatschef zu seinen Ministern. Laut „Politico“ und „Libération“ hat Arbeitsministerin Catherine Vautrin vorgeschlagen, weitere Einsparungen bei der Arbeitslosenversicherung vorzunehmen. Christophe Béchu schlug vor, das staatliche Immobilienvermögen anzuzapfen. Es steht ausserdem die Idee im Raum, über die Unternehmensbesteuerung nachzudenken. Die Idee, die Wohngeldhilfe (APL) abzuschaffen, die in den sozialen Netzwerken kursierte, wurde allerdings vom zuständigen Minister Thomas Cazenave auf France Info dementiert.

Die Jagd auf Steuerbetrüger

In diesem Kontext wurde die Ankündigung von 15,2 Milliarden Euro an Steuerbetrugsrückforderungen für das Jahr 2023 als gute Nachricht für die Regierung gewertet, auch wenn das Geld noch nicht in den Staatskassen ist. Innerhalb eines Jahres hat die Regierung mehr als eine Milliarde Euro an Sozialleistungsbetrug und eine Milliarde Euro an Beitragsbetrug aufgedeckt. Und es gibt noch mehr: Das Finanzamt hat 2023 in ganz Frankreich 140.000 nicht deklarierte Swimmingpools entdeckt. Die lokalen Behörden werden 40 Millionen Euro an nicht gezahlten Grundsteuern einnehmen. Um noch mehr Steuern einzunehmen, wird in mehreren großen Städten Frankreichs eine Steuerpolizei eingerichtet.

Steuererhöhungen: keine Option

Trotz des gewaltigen Defizits ist eine Erhöhung der Steuern jedoch keine Option. Emmanuel Macron und Bruno Le Maire lehnen dies seit 2017 konsequent ab. „Wir müssen der Versuchung einer Steuererhöhung widerstehen. Wenn man mit der Besteuerung der Milliardäre beginnt, trifft es am Ende immer die Mittelschicht“, erklärt der Abgeordnete der Renaissance-Partei, Mathieu Lefèvre, in Le Figaro.

Frankreich muss seine Wirtschaftsprognosen bald der Europäischen Kommission vorlegen. Ende April werden die Ratingagenturen Fitch und Moody’s die Finanzen Frankreichs bewerten und könnten seine Kreditwürdigkeit herabstufen. Die Folge wäre ein Anstieg der Zinssätze für Frankreichs Kreditaufnahmen auf den Finanzmärkten.


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